DIMAG

Wesentliches Ziel des Langfristvorhabens ist die Entwicklung des Digitalen Interaktiven Maritimen Atlas zur Geschichte (DIMAG). Hierbei handelt es sich um ein webbasiertes Forschungstool, welches als WebGIS (Geoinformationssystem) umgesetzt wird. Mithilfe des Tools lassen sich einerseits Seeverbindungen durch die Kombination von Routingalgorithmen, Wetterdaten und Leistungsdaten u.a. der 1:1-Rekonstruktion vom Typ Laurons II mit beachtlicher Präzision simulieren. Diese berechneten Routen werden über eine georeferenzierte Karte (ähnlich zu Google Maps) im WebGIS dargestellt, wobei in der ersten Förderphase der Raum und Zeit auf das Mittelmeer und die römische Kaiserzeit beschränkt bleiben. Andererseits können die Daten der Routensimulation von Historiker:innen oder interessierten Laien mit den in einer Geodatenbank bzw.  der in der Datenbankumgebung FuD hinterlegten und von dem Projektbereich „Historische Forschung“ gesammelten, georeferenzierten Forschungsdaten wie Leuchttürmen, Amphorenfunde, Navigationspunkte, Rohstoffe, Waren oder Produkte zur weiteren Analyse dargestellt und verknüpft werden, um ausgehend von den gesammelten Forschungsdaten und Routeninformationen weiterführende Studien zur römischen Wirtschaft, maritimer Konnektivität und speziell dem römischen Seehandel vorzunehmen. Damit stellt DIMAG ein umfassendes Forschungsinstrument dar, welches in seiner Präzision bisherige Ansätze wie ORBIS deutlich übersteigt.

Grobe Struktur von DIMAG als Forschungsinstrument

WebGIS

Das WebGIS stellt den sichtbaren Bereich des Forschungstools dar. Nutzer von DIMAG können hier Seeverbindungen in Abhängigkeit von Start- und Zielpunkt, zu verwendendem Schiff sowie Startzeitpunkt der Reise visualisieren lassen und analysieren.

In der ersten Projektphase werden im WebGIS durch die Weiterentwicklung von OpenCPN den Nutzern vorberechnete Routen zur Verfügung gestellt. Hier wird noch eine asynchrone Strategie verfolgt.

In der zweiten Projektphase wird dann eine synchrone Strategie verfolgt. Nutzer von DIMAG können ohne Wartezeit neue  Routenverbindungen simulieren lassen. Geht eine Anfrage durch den Nutzer für eine Routenverbindung ein, fragt das WebGIS zunächst bei der Geodatenbank an, ob die entsprechenden Routensimulationen bereits vorliegen, d.h. bereits .gpx files für diese Anfrage vorhanden sind. Liegen diese vor, werden diese dem Nutzer unmittelbar auf der WebGIS-Oberfläche ausgegeben und visualisiert. Sind die Routen bisher nicht berechnet worden, übergibt das WebGIS die Parameter an die Routensimulationssoftware, welche das Backend des Forschungstools bildet. Das Simulationsprogramm berechnet alle Routen und übergibt sie anschließend an die Geodatenbank, welche die Informationen wiederum an das WebGIS übermittelt.

Neben den Routensimulationen wählen die Nutzer des Forschungstools über das WebGIS die historischen Forschungsdaten aus, welche sie auf der GIS-Oberfläche zur weiteren Analyse visualisiert haben möchten. Je nach angefragter Kategorie werden die Daten dann aus der separaten FuD-Forschungsdatenbank ins GIS geladen und dargestellt. Mit einem Klick auf die Datenpunkte oder per Auswahl der parallel dargestellten Liste sind weitere spezifische Informationen abrufbar.

Routensimulation

Die Routensimulationssoftware ist wesentlicher Bestandteil des DIMAG-Tools. Hier laufen die Forschungsergebnisse aus Datenerhebung und -analyse, Rekonstruktionen und historischer Hintergrundforschung zusammen. Die Simulationssoftware läuft in mehreren Instanzen für parallele Nutzerzugriffe auf einer Serverumgebung und ist durch Skripte mit Geodatenbank und WebGIS verbunden. Anfragen von Nutzern im WebGIS, welche nicht bereits simuliert wurden, werden als Parameter an die Simulationssoftware übergeben. Diese berechnet dann anhand des Polardiagramms des ausgewählten Schiffstyps, den von der NOAA bereitgestellten Wetterdaten aus den Jahren 1990-2010 – diese kommen aufgrund der klimatisch ähnlichen Verhältnisse denen der Kaiserzeit am nächsten – sowie des ausgewählten Fahrzeitpunktes alle verfügbaren Routen (sprich alle Routenvarianten, die das Ziel erreichen) und übergibt die als .gpx file abgespeicherten Daten an die Geodatenbank.

Kern der Routensimulation ist das in C++ geschriebene Programm OpenCPN, welches von Grund angepasst wurde und wird. Ursprünglich von passionierten Seglern als Desktop-Client entwickelt, wurde das Programm zunächst grundlegend analysiert und alle nicht benötigten Programmbestandteile entfernt. Wichtigster enthaltener Bestandteil ist die Routing-Funktion von OpenCPN, welche im nächsten Schritt von der GUI des Programmes getrennt wurde und für Linux als Kommandozeilenprogramm portiert wurde. Da die Routensimulationssoftware in DIMAG auf einem Linux-Server laufen wird, war dieser Schritt zur geplanten Automatisierung von Routenanfragen durch Nutzer von DIMAG essenziell.

Beispielhafte Darstellung aus OpenCPN zur Routenberechnung mit Isochronen der Route Marseille – Alexandria

Die Berechnung der Segelrouten und -fahrzeiten erfolgt durch das Simulationsprogramm durch die Verwendung sogenannter Isochrone. Das bedeutet, dass das Programm vom Startpunkt ein festes Zeitintervall, beispielsweise eine Stunde lang, alle vom virtuellen Schiff aus fahrbaren Kurse (d.h. abhängig von Polardiagramm des Schiffes und vorliegenden Windverhältnissen zum Zeitpunkt) fährt. In der nächsten Iteration werden von den äußeren Punkten aus, die in der Zeit erreicht wurden, wieder alle möglichen Kurse berechnet. Dieses Verfahren wird so lange ausgeführt, bis das Ziel „innerhalb“ eines Isochrons liegt – oder das Verfahren vorher mangels Durchführbarkeit der Verbindung, beispielsweise durch schlechte Windverhältnisse, abbricht.  

Durch diesen Ansatz bekommt man einerseits alle tatsächlich möglichen Routen zu diesem Zeitpunkt abgebildet, gleichzeitig ist eine starke Filterung des Weges notwendig, um unnötige und zeitraubende Isochronverbindungen zu vermeiden (siehe Bild zur beispielhaften Darstellung der Routenberechnung). Bei der Verbindung von Marseille – Alexandria sind Isochronverbindungen, welche am Ende nach Mallorca, Kroatien oder die Türkei führen,  sicherlich nicht zielführend.

Die Isochronverbindungen, welche den Zielpunkt erreicht haben, werden vom Programm als gesammeltes .gpx file exportiert und an die Geodatenbank übergeben. So sind zu einem Abfragezeitraum alle segelbaren Routen gemeinsam abgespeichert und verfügbar. Wird von einem anderen Nutzer von DIMAG die gleiche Routenverbindung zum gleichen Abfragezeitraum nochmals angefragt, erkennt eine Abfragelogik innerhalb des WebGIS, dass die Daten bereits in der Geodatenbank vorhanden sind – eine erneute Berechnung ist somit nicht mehr notwendig. Auf diese Art wird die Geodatenbank der berechneten Routen von DIMAG stetig durch Benutzeranfragen vergrößert; die Rechen- und damit Wartezeit für Anwender also stetig verkleinert.


Beispielhafte Darstellung des Isochronverfahrens, hier in der zweiten Iteration. Von Interesse sind für die Routenberechnung nur jene Punkte, die am weitesten von der ersten Iteration bzw. dem Startpunkt entfernt sind. Bildquelle: https://routing.luckgrib.com/intro/isochrones/img/iso second as iso.jpeg

Datenbankdesign

DIMAG nutzt zur Datenbereitstellung zwei verschiedene Datenbanken, welche gemeinsam mit dem Rest der DIMAG-Architektur auf der selben Serverumgebung gehostet werden. Unterschieden werden kann in die Forschungsdatenbank FuD, in der vor allem georeferenzierte Daten aus dem Projektbereich der historischen Forschung bereitgestellt werden sowie in eine Geodatenbank, in der u.a. die Routensimulationen gespeichert werden.

Forschungsdatenbank FuD

Die seit 2004 an der Universität Trier bestehende Datenbank „Forschungsnetzwerk und Datenbanksystem (FuD)“, gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG, stellt eine virtuelle Forschungsumgebung für die Geistes- und Sozialwissenschaften dar. Die modulare Software bildet den kompletten Forschunsprozess ab und unterstützt die zeit- und ortsunabhängige kollaborative Forschungsarbeit. FuD bietet eine Vielzahl an Werkzeugen für die Datensammlung, -annotation, -analyse und -aufbereitung bis hin zur Publikation und Archivierung.

Kern von FuD ist eine MySQL Datenbank, die mittels JSON-Schnittstelle (Elastic-Search-Index) mit dem WebGIS kommuniziert. In DIMAG werden zahlreiche georeferenzierte Datensätze in FuD gespeichert und zur Verfügung gestellt, unter anderem Häfen, Waren, Produkte, Amphorendaten, Leuchttürme u.v.m.

Mehr Information zu FuD erhalten Sie unter: https://fud.uni-trier.de/

Geodatenbank

DIMAG speichert die vorberechneten und angeforderten Routensimulationen in einer eigens dafür konfigurierten Geodatenbank. Diese basiert auf PostgreSQL. Eine Schnittstelle zwischen Datenbank und WebGIS stellt sicher, dass bereits berechnete Routen, welche in der Geodatenbank abgelegt sind, nicht nochmals an die Simulationssoftware als Auftrag übergeben werden, sondern direkt von der Datenbank ans WebGIS übermittelt werden.

Zur besseren Performanz von DIMAG sind ferner die Geodaten der in der Forschungsdatenbank FuD gespeicherten Daten wie Häfen, Waren, Amphoren etc. im Geoserver abgespeichert und mittels UID, also einem unique Identifier, mit den Daten in FuD „verbunden“.